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Von: Gerlinde Geltinger

Gerlinde Geltinger ist Public Relations Managerin beim MSC in Berlin.


Schön wär’s ja, wenn das Leben so eindeutig wäre. Wenn alles entweder richtig oder falsch, gut oder böse, moralisch oder verwerflich, schwarz oder weiß wäre. Momentmal, aber wäre das wirklich schön? Eine Welt in schwarz-weiß?

Nein - Glücklicherweise geht ein Schwarz-Weiß-Denken an der bunten Wirklichkeit vorbei. Auch in der Welt der nachhaltigen Fischerei lässt sich selten etwas pauschal schwarz oder weiß beurteilen, auch hier muss man hinter die Fassade blicken, um sich ein Urteil bilden zu können. Lesen Sie hier schwarz auf weiß, warum Schwarz-Weiß-Aussagen die Realität selten widerspiegeln, ein Schwarz-Weiß-Denken uns selten weiterbringt und warum das MSC-Logo blau ist.

Gutes Fanggerät – schlechtes Fanggerät?

Warum Schleppnetzfischereien nicht alle böse und Stellnetzfischereien nicht alle gut sind.

Unter dem Begriff „Schleppnetze“ werden viele verschiedene Fanggeräte und Techniken zusammengefasst. Durch die verschiedensten Einsatzmöglichkeiten, Gebiete und Zielarten von Schleppnetzen unterscheiden sich auch die Umwelteinflüsse erheblich. Nicht alle Schleppnetze sind also böse und zerstörerisch, genauso wenig, wie alle anderen Fangeräte (Stellnetze, Fallen, Reusen etc.) gut und schonend sind. 

Pelagische Schleppnetze werden zum Beispiel durch das freie Wasser gezogen. Sie haben in der Regel keinen Einfluss auf den Meeresboden, weil sie ihn nicht berühren. Fischarten, die deutlich über dem Meeresboden schwimmen, wie z.B. der Seelachs in der Nordsee, werden mit solchen Netzen gefangen. Grundschleppnetze sind Schleppnetze, die für den Einsatz am Boden oder in Bodennähe konzipiert sind. Die Netze unterscheiden sich je nach Einsatzgebiet und Zielart erheblich. Das sogenannte Grundgeschirr kann aus verschiedenen Materialien (Holz, Metall, Gummi) bestehen, die leichter oder schwerer sind und dementsprechend unterschiedliche Auswirkungen auf den Meeresboden haben. Die zertifizierte Schollenfischerei in der Nordsee fischt zum Beispiel mit dem Grundschleppnetz namens „Twin Rig“. Hier werden die am Boden lebenden Schollen durch Jager aufgescheucht und die Einwirkung der Scherbretter auf den Boden entfällt. 

Der Einfluss kann aber auch je nach Bodenbeschaffenheit unterschiedlich sein.  In Gebieten, die generell stark von Strömungen und/oder Gezeiten beeinflusst sind und in denen dadurch Bodenumwälzungen stattfinden, sind die Auswirkungen eines Grundschleppnetzes in der Regel  überschaubarer, als z.B. auf sensiblen Korallenböden. In manchen Regionen können Grundschleppnetze sogar die ökologisch verträglichere Fangmethode sein. 
Es gilt also immer den Einzelfall zu betrachten, um Aussagen über die Nachhaltigkeit eines Fanggerätes zu treffen und genau das tut der MSC.

2% Beifang gut, 20% Beifang schlecht

Warum K.O.- Kriterien bei der Beurteilung von Beifang wenig zielführend sind

In manchen Fischereien lässt sich Beifang nicht vermeiden, da einige Fischarten nicht in reinen Schwärmen vorkommen, sondern sich mit anderen Arten mischen. In Fischereien, bei denen sich gezielt einzelne Arten fangen lassen, etwa Schwarmfische wie Hering und Makrele, funktioniert das gut. Aber oft landen verschiedene Fischarten im Netz. Bei den Seezungenfischern beispielsweise werden oft Schollen mitgefangen. Im Rahmen einer MSC-Zertifizierung werden die Höhe und die Zusammensetzung des Beifangs untersucht, um zu beurteilen, ob die Fischerei nachhaltig arbeitet. 

Dabei ist die Höhe des akzeptablen Beifangs von Fischerei zu Fischerei unterschiedlich ist. K.O.-Kriterien sind bei der Beurteilung des Beifangs wenig zielführend. Fällt in einer Fischerei zum Beispiel ein Beifang in Höhe von acht Prozent an, so ist dies im weltweiten durchschnittlichen Vergleich ein geringer Beifanganteil. Bestehen diese acht Prozent jedoch aus einer Art, die in dem jeweiligen Gebiet als gefährdet gilt, so können auch acht Prozent schon zu viel sein.  Im Rahmen einer MSC-Bewertung wird deshalb geprüft, ob die Zusammensetzung und die Menge des anfallenden Beifangs negative Auswirkungen auf die beigefangene Art haben. Ist dies der Fall, kann die Fischerei nicht zertifiziert werden. 

Guter Kabeljau, böser Kabeljau

Warum es in der Diskussion um Überfischung wichtig ist, einzelne Bestände zu betrachten und nicht pauschal eine Art.

Betrachtet man die einzelnen Fanggebiete der Welt genauer, wird deutlich, dass es auf die Frage, wie es um die Fische steht, keine einfache Antwort gibt. Die Situation ist komplex. Wissenschaftler schätzen, dass es rund 30.000 Fischarten weltweit gibt, einige Hundert werden kommerziell befischt. Fast jede Fischart kommt in mehreren Beständen vor. In der Regel sind die verschiedenen Bestände einer Fischart so weit räumlich voneinander getrennt, dass sich die Individuen eines Bestandes nicht mit denen eines anderen Bestandes vermischen. 

Im Nordostatlantik sind zum Beispiel 13 verschiedene Kabeljaubestände definiert. Einige davon sind in einem guten, einige in einem weniger guten Zustand. Für die Diskussion um die Übernutzung von Fischarten ist es also essentiell wichtig, einzelne Bestände zu betrachten. Denn längst nicht immer wird eine Art komplett überfischt, sondern meist nur ein einzelner Bestand. Zweifellos sind viele Bestände überfischt. Andere aber erholen sich dank eines nachhaltigen Fischereimanagements.

 

Böse große Industriefischer, gute kleine handwerkliche Fischer

Warum „big“ nicht zwangsläufig gleich „bad“ ist.

Die industriell betriebene Fischerei wird der ursprünglichen handwerklichen Fischerei oftmals als nicht nachhaltig gegenübergestellt. Doch auch hier muss man differenzieren. Der Gesundheit des Fischbestandes ist es im Grunde egal, ob er von 1.000 kleinen oder von 100 großen Fischereien befischt wird, solange ihm nur so viel entnommen wird, wie wieder nachwachsen kann. Um allerdings Aussagen über den Zustand eines Fischbestandes machen zu können, braucht man eine Menge detaillierter Daten. Weltweit werden rund 1.500 Fischbestände kommerziell befischt. Nur für gut 500 dieser Bestände gibt es heutzutage umfassende Bestandsberechnungen. Dabei handelt es sich vor allem um Bestände, die seit vielen Jahren industriell befischt werden, da für diese seit langem genau protokolliert wird, was und wieviel gefangen wird. Die Datensätze für den Kabeljau vor Norwegen reichen bis in die 1920er Jahre zurück. Über viele Meeresgebiete ist kaum etwas bekannt, insbesondere über die Bestände in Küstenregionen von Entwicklungsländern. Über den Zustand der dortigen Fischbestände sind damit auch keine sicheren Aussagen möglich. Je besser man allerdings um den Zustand, die Zusammensetzung und die Struktur von Fischbeständen weiß, umso einfacher und besser kann man sie auch nachhaltig bewirtschaften. 

Das MSC-Programm steht allen Fischereien offen, großen industriellen und kleinen handwerklichen Fischereien und sowohl industrielle Fischereien als auch kleine, handwerkliche Fischereien dürfen ihren Fang mit dem MSC-Siegel kennzeichnen. Das „Wissen“ um den Zustand eines Fischbestandes ist jedoch eine wichtige Voraussetzung für eine MSC-Zertifizierung. Ohne solche Daten lässt sich nicht beurteilen, ob es einem Fischbestand gut oder schlecht geht.  

 

Böse Fischer, gute Umweltschützer?

Warum nur gemeinsam tragfähige Lösungsansätze für das Problem der Überfischung entwickelt werden können.

Der MSC ist nicht allein in seinen Bemühungen um eine nachhaltige Bewirtschaftung unserer Meere. Industrie, Handel, Wissenschaft, Regierungen und Umweltorganisationen arbeiten ebenfalls an diesem Ziel – mit verschiedenen Ansätzen. Die Arbeit des MSC fußt auf der Tatsache, dass ein wirtschaftlicher Anreiz ein wirkungsvoller Hebel für mehr Nachhaltigkeit ist. Das MSC-Siegel schafft also Marktanreize, um nachhaltig arbeitenden Fischereien Anerkennung zu verschaffen.  Damit unterscheidet sich der Ansatz des MSC von denen anderer Organisationen:  Er bietet eine marktwirtschaftliche Ergänzung zu anderen Umweltschutzmaßnahmen. 

Ein Zertifizierungsprogramm für nachhaltige Fischerei, das auf einer freiwilligen Teilnahme von Fischereien und anderen Marktteilnehmern basiert, kann nur funktionieren, wenn es von den unterschiedlichen Interessengruppen aus Industrie und Umweltschutz mitgetragen wird. Die Herausforderung liegt darin, die Anforderungen gleichzeitig effektiv und erreichbar zu machen. Die Fortschrittsberichte des MSC belegen, dass unser Ansatz aufgeht und der MSC sich lohnt. Für die Natur und die Fischerei. 

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