Falsch-Etikettierung: Durchschnittlich 30% aller Fischprodukte sind falsch gekennzeichnet. Zum Vergleich: Fischprodukte mit dem MSC-Nachhaltigkeitssiegel weisen eine Fehlkennzeichnungsrate von weniger als 1% aus.
Berlin/Cambridge (USA), 18. März 2019 – Eine heute in der in der Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlichte Untersuchung von mehr als 1.400 mit dem Umweltsiegel des Marine Stewardship Council (MSC) gekennzeichneten Produkten ergaben, dass weniger als 1% nicht korrekt gekennzeichnet waren. Zum Vergleich: Verschiedene weltweite Untersuchungen gehen von einer Fehlkennzeichnung von durchschnittlich 30% aller Nicht-MSC-Fischprodukte aus.
Die in „Current Biology“ veröffentlichten Daten deuten darauf hin, dass das blaue Nachhaltigkeitssiegel sowie das Rückverfolgbarkeitsprogramm des MSC wirksame Abschreckungsmittel sind, wenn es um die systematische und vorsätzliche Substitution von Arten und um betrügerischen Etikettenschwindel geht.
Der MSC ist eine internationale gemeinnützige Organisation, die in Sachen nachhaltige Fischerei und rückverfolgbare Lieferketten weltweit Maßstäbe setzt. Erhalten Fischereien und Unternehmen der Lieferkette eine Zertifizierung, dürfen sie das blaue Nachhaltigkeitssiegel des MSC auf Ladenprodukten, an Frischfischtheken und auf Restaurantmenüs verwenden.
Artenkennzeichnung
“Experten sind in Sorge, weil Fischprodukt-Lieferketten anfällig sind für die vorsätzliche Fehlkennzeichnung von Arten und Etikettenschwindel. In der Vergangenheit hat es Fälle gegeben, bei denen manche der beliebtesten Fischarten, wie zum Beispiel Atlantik-Kabeljau, durch Pangasius aus Zuchtbetrieben ersetzt worden ist. So etwas kann das Vertrauen der Verbraucher stark erschüttern und Bemühungen zum Erhalt nachhaltiger Fischereien erschweren“, sagt Jaco Barendse vom Marine Stewardship Council, der Mitautor der Studie ist.
Der Einsatz von DNA-Tests ist weit verbreitet, um die Fehlkennzeichnung von Arten aufzuspüren, und eine aktuelle Meta-Analyse von 4.500 Fischprodukttests aus 51 Peer-Review-Publikationen („Food Control“ Vol. 62) stellte fest, dass durchschnittlich 30 Prozent nicht die Fischarten waren, die auf dem Etikett oder Menü angegeben wurden.
Bei der vorliegenden Studie, der größten und umfassendsten Bewertung von Produkten mit MSC-Siegel, hat der MSC mit Laboren des ‚TRACE Wildlife Forensics Network‘ sowie des ‚Science and Advice for Scottish Agriculture (SASA)‘ zusammengearbeitet. Dabei wurden DNA-Tests eingesetzt, um die Fischarten in 1.402 MSC-zertifizierten Fischprodukten aus 18 Ländern zu identifizieren.
Die Tests ergaben, dass 1.389 Fischprodukte korrekt gekennzeichnet waren und 13 nicht. Das entspricht einem Gesamtprozentsatz von weniger als 1% (0,92) Fehlkennzeichnung von Arten, im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt von bis zu 30%. Nicht korrekt gekennzeichnete Produkte fanden sich in frischen und tiefgefrorenen vorverpackten Produkten sowie in Restaurants, hauptsächlich in Westeuropa, mit einem Fall in den USA und auch in Deutschland (ein Supermarkt-Tiefkühlprodukt mit Pazifischer Scholle). Alle Fälle von Fehlkennzeichnung betrafen Weißfisch- (Kabeljau, Seehecht, Hoki) und Plattfisch-Produkte (z. B. Scholle).
Fehlkennzeichnung oder Etikettenschwindel?
Es gibt viele Gründe, warum es zu einer Fehlkennzeichnung kommen kann. Unbeabsichtigte Fehlkennzeichnungen gibt es infolge falscher Identifizierungen der Arten beim Fang, Verwechslungen während der Verarbeitung oder durch Mehrdeutigkeiten bei der Produktbezeichnung, wie z. B. die Verwendung übergeordneter Markennamen wie „Schnapper“ oder „Rochen“.
Um einen betrügerischen Etikettenschwindel handelt es sich dagegen, wenn Fischarten vorsätzlich ausgetauscht werden mit dem vorrangigen Ziel, einen finanziellen Gewinn zu machen. Dies ist typischerweise der Fall, wenn eine höherwertige Fischart durch eine niederwertigere Spezies ersetzt wird. Zu dieser Art von Betrug kommt es auch, wenn Fischarten aus nicht nachhaltigen oder illegalen Fischereien auf den Markt kommen, indem sie als legal gefangener Fisch ausgegeben werden.
Der MSC-Rückverfolgbarkeitsstandard verlangt, dass jeder Vertrieb, Verarbeiter und Einzelhändler, der mit zertifizierten Fischprodukten handelt, über ein dokumentiertes Rückverfolgungssystem verfügt, welches die Trennung zwischen zertifizierten und nicht zertifizierten Fischprodukten gewährleistet und MSC-Produkte bei jedem Schritt korrekt identifiziert.
Bei der Rückverfolgung der dreizehn nicht korrekt gekennzeichneten Produkte wurden zwei als absichtliche Substitution durch Arten nicht zertifizierter Herkunft identifiziert. MSC-zertifizierte Produkte können höhere Preise und einen besseren Marktzugang erzielen als nicht zertifizierte Produkte, weshalb diese Substitutionen wahrscheinlich in betrügerischer Absicht erfolgten. Die MSC-Zertifikate der für die Substitutionen Verantwortlichen wurden ausgesetzt.
Nächste Schritte
MSC-Zertifikate gelten nur für Fischbestände und Fischereien, nicht für ganze Arten. Obwohl der MSC-Rückverfolgbarkeitsstandard die Trennung von MSC- und nicht-MSC-zertifizierten Produkten verlangt, gibt es noch ein Restrisiko in Bezug auf die mögliche vorsätzliche Substitution von zertifiziert nachhaltigen Fischen und anderen Fischen der gleichen Spezies.
Francis Neat, Leiter der strategischen Forschung beim MSC: “Während wir mithilfe von DNA-Tests und Rückverfolgungen gut erfassen können, ob eine Substitution auf Artenebene stattfindet, wird der MSC in Zukunft in modernste Next-Generation-Gensequenzierung sowie Isotopen- und Spurenelement-Analysesysteme investieren. Damit werden wir auch feststellen können, aus welchem Bestand ein Fischprodukt stammt und nicht nur, ob in der Packung auch die Fischart steckt, als solche sie verkauft wird.“