Skip to main content
Artikel
Am 25. September 2019 hat der Weltklimarat IPCC seinen Sonderbericht über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima veröffentlicht. Er zeigt: Ozeanerwärmung, Meereisveränderung und biogeochemische Veränderungen, wie beispielsweise Sauerstoffverlust, haben seit 1950 zu einer Verschiebung der geografischen Verbreitungsgebiete und saisonalen Aktivitäten von vielen marinen Arten geführt. Dies hat wiederum direkte Folgen für die weltweite Fischerei.

Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf das marine Ökosystem und die Fischerei. 

Schmelzender Gletscher

93%

der in der Erdatmosphäre anfallenden Wärme wird vom Ozean absorbiert

1. Welche Rolle spielen die Ozeane bei der Regulierung unseres Klimas?

Die Ozeane, die 71% der Erdoberfläche bedecken, spielen eine wichtige Rolle bei der Klimadynamik und absorbieren 93% der in der Erdatmosphäre anfallenden Wärme und ein Viertel des aus fossilen Brennstoffen freigesetzten Kohlendioxids (CO2) (Pörtner et al., 2014). Da die Ozeane eine so wichtige Rolle in der Klimadynamik spielen, ist es wichtig, dass wir sie auf eine nachhaltige Weise bewirtschaften, die es ihnen ermöglicht, sich an ein sich wandelndes Klima anzupassen. 

2. Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Verteilung der Arten aus?

Historische Aufzeichnungen und Zukunftsprognosen zeigen, dass sich die Verteilung der weltweiten Fischbestände verändert. Während in Ozeanen in nördlichen Breitengraden, wie dem Nordatlantik und dem Nordpazifik, das Spektrum einiger Fischarten zunimmt und so zu neuen Fangmöglichkeiten führt, wird in den Tropen ein deutlicher Rückgang der potenziellen Fischfänge prognostiziert - bis 2050 um bis zu 40 %.[1] Schätzungen zufolge sind marine Hitzewellen in den letzten 30 Jahren um durchschnittlich mehr als 50 % pro Jahr gestiegen, was zu einem lokalen, oft plötzlichen Rückgang von Meereslebewesen führte.[2] Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf die Struktur und Produktivität der marinen Ökosysteme und stellen auch die Fischereimanager vor erhebliche Herausforderungen.

3. Welche Anforderungen stellt der MSC in Bezug auf den Klimawandel?

MSC-zertifizierte Fischereien müssen nicht nur nachhaltig Fischen und ihre Auswirkungen auf die marinen Lebensräume verringern, sondern auch über eine effektive Bewirtschaftungsstrategie verfügen. Nur so können sie sicherstellen, dass sie auch in Zukunft nachhaltig arbeiten. Ein effektives Fischereimanagement bedeutet, vorausschauend festzulegen, wie viel Fisch gefangen wird, und Verfahren zu vereinbaren, um auf Veränderungen in der Gesundheit des marinen Ökosystems zu reagieren.

Bei der Entscheidung, wie die Fischbestände am besten zu bewirtschaften sind, müssen MSC-zertifizierte Fischereien neuesten wissenschaftlichen Gutachten folgen. Diese Anforderungen bedeuten, dass die Fischer in der Lage sind, ihre Praktiken schneller und effektiver an Klimaänderungen anzupassen. Das heißt auch, dass sie eine größere Widerstandsfähigkeit haben, um sicherzustellen, dass die Fischbestände und Ozeane gesund bleiben. 

Aber: In den MSC-Standards gibt es keine spezifischen Anforderungen, die direkt mit dem Klimawandel zusammenhängen, da die Auswirkungen des Klimawandels in den grundlegenden Prinzipien des Fischereistandards berücksichtigt werden. 

 

4. Gibt es Beispiele, wie sich der Klimawandel auf die Nachhaltigkeit der Fischerei auswirkt?

Norwegischer Kabeljau und Schellfisch

Die vom MSC zertifizierte norwegische Kabeljau- und Schellfischfischerei untersuchte ihre Auswirkungen auf die Lebensräume am Meeresboden in Gebieten mit zurückweichendem Meereis in der Barentssee. Im Jahr 2016 unternahmen diese Fischer einen historischen Schritt: Sie entschieden sich, den Kabeljaubeständen nicht in nördlichere Nahrungsgebiete zu folgen, sondern ihre Fischereiaktivitäten weiterhin auf das ursprüngliche Gebiet zu beschränken, bis sie ein besseres Verständnis der Auswirkungen des Schleppnetzfangs auf die Lebensräume hatten.

Dieses Engagement wird dazu beitragen, dass die Fischerei die Auflagen ihrer MSC-Zertifizierung erfüllt und weiterhin international bewährte Praktiken in Bezug auf die Auswirkungen der Fischerei auf das Ökosystem Meer erfüllt, die im Rahmen der jüngsten Aktualisierungen des MSC-Fischerei-Standards erforderlich sind. 

Tintenfisch

Nicht alle Auswirkungen des Klimawandels sind für die Fischereiindustrie negativ. Eine kürzlich zertifizierte Tintenfischfischerei im Nordwestatlantik profitiert von der Erwärmung des Wassers. So wird beispielsweise angenommen, dass erhöhte Temperaturen die Lebenszyklen von Kopffüßern beschleunigen, sofern das optimale thermische Spektrum der Art nicht überschritten und die Ernährung nicht eingeschränkt wird.

Nordseekabeljau

Der jüngste Rückgang der Kabeljaubestände in der Nordsee und die Umkehrung des früheren Trends der sich erholenden Bestände sind zum Teil auf ein sich änderndes Klima zurückzuführen, das dazu führt, dass weniger junge Kabeljaue bis ins Erwachsenenalter überleben. Aus diesem Grund wird die MSC-Zertifizierung der Nordsee-Kabeljaufischerei am 24. Oktober 2019 ausgesetzt. 

Für die Fischerei sind diese Veränderungen eine enttäuschende Nachricht, da sie in den letzten 10 Jahren zur Erholung der Kabeljaubestände beigetragen hat. Der Rückgang der Bestände zeigt zudem die Unvorhersehbarkeit einiger Auswirkungen des Klimawandels.

Die Fischerei hat auf die Rückgänge bereits reagiert und sich zu Maßnahmen zum Wiederaufbau der Kabeljaubestände in den nächsten fünf Jahren verpflichtet.

Makrele im Nordostatlantik

Die Verbreitung der Makrele im Nordostatlantik hat sich seit 2007 abrupt und rasch gewandelt: Die Bestände bewegen sich mit zunehmender Meerestemperatur nach Norden. Dies hat zu Streitigkeiten zwischen den Küstenstaaten über die Aufteilung der Fischereiressourcen geführt, die sich ungeachtet geopolitischer Grenzen bewegen, und zu mangelnder Übereinstimmung darüber, wie der Makrelenbestand am besten zu bewirtschaften ist.

Neue wissenschaftliche Gutachten und die anhaltenden Streitigkeiten über die Festlegung von Makrelenquoten im Einklang mit den wissenschaftlichen Gutachten führten im März 2019 zum Aussetzen der MSC-Zertifizierung, die Fischereien in acht Ländern betrifft.

Ostsee-Hering

Weil es dem Heringsbestand in der westlichen Ostsee nicht gut geht, haben die dortigen Fischer Ende 2018 das MSC-Siegel verloren. Als Ursache für die verminderte Bestandsgröße gilt vor allem die anhaltend schwache Nachwuchsproduktion des Ostsee-Herings. Diese soll nach Untersuchungen des Rostocker Thünen Instituts für Ostseefischerei in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel und einer Erhöhung der Wassertemperaturen in der westlichen Ostsee stehen. Mehr zum "Hering in der Klimafalle" erfahrt ihr in einer interaktiven Story des Thünen-Instituts >

5. Was ist nötig, damit Fischereien besser auf den Klimawandel vorbereitet sind?

Nachhaltige, gut gemanagte Fischereien, wie sie nach dem international anerkannten Umweltstandard für nachhaltige Fischerei des MSC zertifiziert sind, sind widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels, weil sie über eine wirksame Überwachung, Regulierung und Bewirtschaftung verfügen, um auf schwankende Fischbestände zu reagieren. Fischer sind dadurch in der Lage, ihre Fischereipraktiken analog zu den sich verändernden Fischbeständen anzupassen.

Da Klimaanpassung immer relevanter und unser Wissen über die Auswirkungen des Klimawandels immer besser wird, muss sich auch das Fischereimanagement ständig weiterentwickeln. Nicht einmal die am besten verwaltete Fischerei darf stillstehen. 

Fischereiindustrie und Fischereimanager müssen international zusammenarbeiten, einen vorsorglichen Ansatz für Fangquoten verfolgen und ihre Praktiken so weiterentwickeln, dass sie den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen und Migrationsmustern der Fischbestände Rechnung tragen.

 

6. Warum stellt der MSC keine Anforderungen in Bezug auf die CO2-Emissionen der Fischereien?

Das MSC-Programm konzentriert sich auf die Nachhaltigkeit der Fangmethoden in Bezug auf Fischbestände, Meereslebensräume und Auswirkungen auf das Ökosystem. Derzeit werden die CO2-Emissionen, die von Fischereifahrzeugen oder während der Verarbeitung von Fisch und Meeresfrüchten freigesetzt werden, nicht berücksichtigt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass eine nachhaltige Fischerei zur Verringerung der CO2-Emissionen beiträgt, indem sie die Effizienz des Fischfangs erhöht. So haben beispielsweise die gestiegenen Fangmengen der isländischen Fischerei dazu geführt, dass Fischereifahrzeuge nun kürzere Fangfahrten unternehmen, was ihren Kraftstoffverbrauch und damit ihre CO2-Emissionen reduziert.

Einige MSC-zertifizierte Fischereien, sind einen Schritt weiter gegangen, um ihre Kohlenstoffemissionen auszugleichen: Die australischen Fischer von Austal Fisheries kompensieren ihren CO2 Fußabdruck, indem sie Bäume pflanzen, und arbeiten seit 2016 klimaneutral.

Der Einsatz dieser Fischereien ist bewundernswert und wir ermutigen andere, ihrem Beispiel zu folgen. 

 

7. Erwägt der MSC, die Reduzierung von CO2-Emissionen in seinen Umweltstandard aufzunehmen?

Bei der Entwicklung der beiden MSC-Standards, dem Umweltstandard für nachhaltige Fischerei und dem Rückverfolgbarkeitsstandard für transparente Lieferketten, wurde eine Reihe zusätzlicher Aspekte berücksichtigt, die grundsätzlich in die Standards aufgenommen werden könnten - so auch CO2-Emissionen. Da jedoch das Problem der Fischereiauswirkungen auf das marine Ökosystem als dringlicher angesehen wurde als andere Probleme, konzentrierte sich der MSC auf die Erhaltung der marinen Umwelt und Lebewesen unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Fischereiwirtschaft. 

Als verantwortungsbewusster Standardsetzer überprüfen wir jedoch regelmäßig den Inhalt unserer Standards. Während der letzten Überarbeitung, im Jahr 2014, wurde die Frage der Kohlenstoffemissionen aufgeworfen. Nach reiflicher Überlegung haben wir uns auf die wichtigsten Ökosystemprobleme konzentriert, an denen wir seit 20 Jahren erfolgreich arbeiten. Dabei wird den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen, die darauf hindeuten, dass die Kohlenstoffemissionen aus der Produktion von Fisch und Meeresfrüchten im Vergleich zu anderen tierischen Proteinen, wie beispielsweise Rindfleisch, relativ gering sind. 

Darüber hinaus glauben wir, dass der wichtigste Beitrag, den der MSC zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels leisten kann, nicht in der Überwachung der Emissionen besteht, sondern darin, sicherzustellen, dass Fischerei und marine Ökosysteme so genutzt werden, dass sie dem Klimawandel standhalten. Unser Fischereistandard verlangt, dass die Bestände auf einem hohen und produktiven Niveau gehalten werden und dass die Struktur und Funktion der marinen Ökosysteme in einem gesunden Zustand bleiben. Dies sind allesamt entscheidende Elemente für die Schaffung von Widerstandsfähigkeit in marinen Ökosystemen. 

 

8. Welche CO2-Emissionen sind mit dem Verzehr von Fisch im Vergleich zu anderen Proteinquellen verbunden?

1-5 kg

CO2 pro gefangenem Kilo Fisch

Wild gefangene Fische und Meeresfrüchte sind eine relativ kohlendioxidarme Proteinquelle, da sie im Gegensatz zu anderen Proteinquellen wie Eier, Huhn und Rindfleisch für die Produktion weder Land noch Futter benötigen.  

Eine Studie über die Treibhausgasemissionen der Fischerei ergab, dass sie im Vergleich zur Produktion von rotem Fleisch, die auf 50 bis 750 Kilogramm Kohlendioxid pro Kilo Fleisch geschätzt wird, zwischen ein und fünf Kilogramm CO2 pro gefangenem Kilo Fisch liegt. 

Eine weitere Studie über die Ernährung der britischen Bevölkerung, die von Wissenschaftlern der University of Oxford durchgeführt wurde, ergab, dass eine fleischlastige Ernährung - definiert als mehr als 100 g pro Tag - zu 7,2 kg Kohlendioxidemissionen führt. Im Gegensatz dazu verursacht eine sowohl vegetarische als auch fischfreundliche Ernährungsweise etwa 3,8 kg CO2 pro Tag. Wer sich vegan ernährt, produziert nur 2,9 kg. 

 

9. Verschiedene Arten der Fischerei produzieren unterschiedliche Mengen an Kohlendioxid. Welche sind besonders kohlenstoffarm?

Rund neunzig Prozent der Treibhausgasemissionen von wild gefangenen Meeresfrüchten stammen aus dem Kraftstoffverbrauch - und einige Fischereitechniken verbrauchen mehr Kraftstoff als andere. So wurde beispielsweise festgestellt, dass die Fischerei auf Sardellen, Makrelen und ähnliche Fische am kraftstoffeffizientesten ist, da die Fische in dichten Ansammlungen in einem einzigen Netz gefangen werden. Andere Fangtechniken wie die Garnelen- und Hummerfischerei sind kraftstoffintensiver, da sie schwere Fanggeräte verwenden oder eine Fahrt zwischen den Hummerfallen erfordern. 

Die Nachhaltigkeit einer Fischerei wirkt sich auch auf die Verringerung der Kohlenstoffemissionen aus, indem sie die Effizienz des Fischfangs erhöht. Mehr gesunde Fischbestände bedeuten, dass die Fischer weniger Zeit und Wege aufwenden müssen, um ihre Quote zu erreichen, was wiederum zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch führt. 

 

10. Was sind marine Hitzewellen und Hotspots? Welche Auswirkungen haben sie auf die Nachhaltigkeit der Fischerei?

Marine Hitzewellen (MHWs) sind längere (>5 Tage), anomale und geographisch unterschiedliche Warmwasserereignisse. Diese Ereignisse wurden seit der Jahrhundertwende an mehreren Orten auf der Welt beobachtet (z.B. 2003 im nördlichen Mittelmeerraum, 2011 in Westaustralien und 2012 im Nordwestatlantik) (Hobday, Alexander, et al., 2016). 

Ähnlich wie bei längerfristigen mittleren Anstiegen der Meerestemperatur haben MHWs Einfluss auf die Ausbreitung von Arten und können zu einem lokalen Artensterben führen (Hobday, Alexander, et al., 2016). 

Diese plötzlichen Klimaänderungen können erhebliche Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit der Fischerei haben und erfordern eine rasche Anpassung der Fangmethoden, damit sich die Ökosysteme erholen können. 

Marine Hotspots ähneln den MHWs, existieren jedoch über einen längeren Zeitraum. Es handelt sich dabei um Gebiete mit überdurchschnittlichen Meeresoberflächentemperaturen, die sich in den letzten 50 Jahren am schnellsten erwärmt haben (Hobday und Pecl, 2014). Hotspots fungieren als wichtige "Testumgebungen", um Management- und Anpassungsstrategien an anderer Stelle voranzubringen (Frusher et al., 2013; Hobday and Pecl, 2014).

Beispielsweise werden Anpassungsstrategien an einem Hotspot in Südostaustralien erprobt und beinhalten eine Klimagefährdungsanalyse der tasmanischen Felsenkrebsfischerei, die in den Hotspot fällt (Frusher et al., 2013). Die Bewertung bestätigte die Anfang der 2000er Jahre geäußerten Bedenken, dass Felskrebs aufgrund seiner sehr langen Larvendauer (bis zu 24 Monate) und damit aufgrund von Veränderungen der Strömungen potenziell anfällig für den Klimawandel ist (Frusher et al., 2013). 

Das Erkennen, Verstehen und Reagieren auf diese Veränderungen wird wichtig sein, damit die Fischerei in einem sich verändernden Klima weiterhin nachhaltig wirtschaften kann.